Mythologie, Legende und Kunst
Hirschkäfer im Kölner Dom
Hirschkäfer im Kölner Dom und das schon seit Hunderten von Jahren, so lautete die Einleitung einer Mail, die mich im Februar 2014 erreichte. Es wurde zwar keine Meldung aus dieser Mal, aber der interessierte Forstkollege Hartmut König hatte im “Kölner Domblatt 2013” einen Bericht über das Gemälde des Malers Stefan Lochner auf dem Alter der Stadtpatrone aus dem Jahre 1440 gelesen. Eben auf diesem Altarbild ist ein Hirschkäfermännchen am rechten unteren Bildrand neben einer Reihe ebenfalls von Mythen umgebenen Pflanzen abgebildet.
Während man in Köln zwar auch die besondere Bedeutung des Hirschkäfers in der Mythologie als Motiv in Erwägung zieht, spricht aber dort auch einiges dafür, dass ein Sponsor des Altarbildes namens Hirtz (ein altes Synonym für Hirschkäfer ) damit geehrt wurde oder sich einen Platz unter den Heiligen sichern wollte. Jedenfalls schön, dass es auch damals schon Hirschkäferfreunde gab.
Die Bedeutung der Hirschkäfer auf religiösen Bildern rührt von der Ähnlichkeit der Mandibeln des Hirschkäfers mit dem Geweih der Hirsche her. Hirsche werden seit dem Altertum als heilige Tiere verehrt und in der christlichen Malerei gelten sie als Symbol für Christus als Sieger über das Böse. So jedenfalls sehen es Eva-Sprecher-Uebersax und Giorgio Taroni in ihrem Buch „Lucanus cervus depictus“ (ISBN 88-88601-03-1), einer Interpretation, der sich die Hirschkäferfreunde gerne anschließen. Stefan Lochner, der Maler des Bildes wurde übrigens 7 Jahre später ebenfalls in den Kölner Stadtrat gewählt, auch ihm hat der Hirschkäfer somit Glück gebracht!
Wo findet sich der Hirschkäfer?
Der Hirschkäfer vom „Kölner Dom“ sitzt an der Gewöhnlichen Akelei Aquilegia vulgaris, zu dieser Pflanze passt er auch recht gut!
„Die Standorte der Gewöhnlichen Akelei befinden sich auf sommerwarmen, mäßig trockenen bis frischen, nährstoff- und basenreichen, gern kalkhaltigen, mild-mäßig-sauer-humosen, lockeren, steinigen, sandigen oder reinen Lehmböden; es handelt sich um eine Mullbodenpflanze. Je sonniger der Standort ist, desto frischer sollte der Boden sein“. In lichten, warmen Eichenwäldern und außerhalb des Waldes wie in Parks und naturnahen Gärten findet man diese ansonsten recht seltene Pflanze. Man wusste also bereits im 14. Jahrhundert um die Licht- und Wärmeaffinität des Hirschkäfers! Das heutige sich hartnäckig haltende Image des Hirschkäfers als bevorzugter Bewohner urwaldähnlicher Wälder muss also maßgeblich durch unsere jüngere Geschichte und den bis in die Gegenwart gepflegten Eichenmythos rund um diesen Käfer geprägt sein, auf den wir im nächsten Artikel einmal näher eingehen wollen.
Marie Haegel
Marie Haegel stammt aus Frankreich, Marseille und kam 2019 im Rahmen eines Freiwilligen Ökologischen Jahres nach Alf. Marie Hegel hat Kunst, Geschichte und Journalismus studiert, sie arbeitet derzeit als Grafikerin in Deutschland.
Während ihres Jahres in Alf hat Marie viele Grafiken, Tafeln und Bilder für die Hirschkäfersuche entworfen, gezeichnet und gestaltet. Von diesem „ wertvollen Schatz“ werden wir noch lange zehren. Vielleicht sind die Grafiken ja eines Tages mal viel wert, und ein Haegel hält Einzug in die Kunst. Herausragend sind ihre Cartoons zum Hirschkäfer sowie die Gestaltung der Infotafel im Römerkessel von Bad Bertrich
Thomas Pottier
Thomas Pottier stammt aus Frankreich, Brest und hat Biologie studiert. Er ist in seinen jungen Jahren schon viel in der Welt herumgekommen. Kambodscha, Bangkok, Sydney waren seine Stationen während der Schulzeit. Neben der Biologie, in der er sich leidenschaftlich zu Insekten und Spinnen hingezogen fühlt, widmet er sich mit genauso viel Herzblut der Makrofotografie. Thomas Pottier studiert in diesem Bereich sowie der Tierfilmtechnik weiter und wir sicherlich noch auf sich aufmerksam machen.
Die Welt der Insekten
präsentiert von Thomas Pottier, Frankreich
(Alf) 2021
Makrofotografie, die die Schönheit und Vielfalt unserer Insekten zeigt
Eine faszinierende Welt, die leider stark bedroht ist.
(Auf die Bilder klicken zum Vergrößern)
Hirschkäfer und Hakenkreuz
Welche Bedeutung hatte der Hirschkäfer Lucanus cervus im Nationalsozialismus? Hatte er dort überhaupt eine Bedeutung? Diese Frage ist für uns vielleicht aus kulturhistorischer Sicht von Interesse, mehr nicht. Für den Schutz des Hirschkäfers selbst könnte die Beantwortung dieser Frage aber von Bedeutung sein.
Tatsache ist, dass die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts entstandenen Kulturfilme in den Kinos als Vorspann enorme mediale Wirkung erzielten und später von den Nationalsozialisten gezielt zur Propaganda eingesetzt wurden. „Der Hirschkäfer 1921“ war der erste Film seiner Art. Der Film zeigt für damalige Verhältnisse sensationelle Aufnahmen vom größten Käfer Deutschlands.
Der einstige Stummfilm wurde später mit entsprechenden ideologischen Kommentaren unterlegt. Der Hirschkäfer war wegen der mit ihm leicht zu assoziierenden Attribute wie Kampf, Größe, Blut, Eiche, Wald natürlich ein willkommener Gast in der Ideologie der Nationalsozialisten, vor allem in der von Herman Göring, dem Forst- und Naturschutzminister. Hier möchte ich noch einmal betonen, dass Hirschkäfer in Mythologie, Kunst und Legende bei weitem nicht immer mit diesen Attributen in Verbindung gebracht wurden. Ich verweise hier auf den Hirschkäfer im Kölner Dom von Stefan Lochner aus dem 15. Jahrhundert, der auf einer Pflanze des Lichts sitzt.
Damit möchte ich sagen, dass dem Hirschkäfer in der Geschichte auch andere Attribute zugedacht wurden, vor allem als Symbol für christliche Werte in Gemälden. Häufig war er ein Sinnbild für Jesus Christus Es wäre zu klären, inwieweit der Hirschkäfer einem Imagewechsel in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts unterworfen wurde.
Der Hirschkäfer / D 1921
Regie: Ulrich K. T. Schulz
Der Hirschkäferfilm von Ulrich K.T. Schulz gilt als der erste deutsche Kulturfilm, ein quasi-dokumentarisches Genre, welches dem deutschen Volke positive kulturelle Werte vermitteln sollte.In diesem Film geht es um den größten deutschen Käfer und seine Bedeutung für den Wald. Die martialische Sprache des gerade erst zu Ende gegangenen Ersten Weltkriegs beeinflusst auch die Naturbeobachtung: „Sie naschen von dem Blute der quellenden Eichen.“ „Aber auch diesem kurzen Dasein bleibt der Kampf nicht fern.“ „Sieg und Tod.“
Quelle : Werkleitz 2015 https://werkleitz.de/der-hirschkafer
Dies soll aber keineswegs die Leistung von Ulrich K.T. Schulz mindern, der einen für die damalige Zeit wegweisenden Beitrag zur Tierfilmtechnik leistete.
Dieser Film kann über das Bundesarchiv ggf. eingesehen werden, dazu bedarf es aber einer Zustimmung des Rechteinhaber Murnau-Stiftung, Wiesbaden. Es handelt sich um einen 19-minütigen Film, der die Entwicklung des Hirschkäfers für die damalige Zeit sicherlich sehr eindrucksvoll darstellt. Ausschnitte sehen Sie im folgen Link zum Film:
Regie: Oliver Lammert, Madeleine Dewald
Best. Nr.: 745 ISBN: 978-3-89848-745-0
EAN: 4-021308-887458
FSK: 12
Label: absolut MEDIEN
Kommentar zum Film:
Mit Vom Hirschkäfer zum Hakenkreuz bringt absolut MEDIEN ein ungewöhnliches, dokumentarisches Essay von Oliver Lammert und Madeleine Dewald auf den DVD-Markt.
Assoziativ aufgebaut, schildert die Dokumentation den Werdegang vieler deutscher Kulturfilmer, versinnbildlicht an der Entwicklung der filmischen Wahrnehmung des imposanten Käfers. Der Kulturfilm war ursprünglich eine rein deutsche Erfindung und lief in den 20er und 30er Jahren zumeist vor dem eigentlichen Hauptprogramm in den Kinos. Viele deutsche Kulturfilmer begriffen sich als Avantgarde des Films, nicht zuletzt deswegen weil sie versuchten mit selbst ausgetüftelten Apparaturen, das sichtbar zu machen was Menschen bis dato noch nie gesehen hatten. Der Hirschkäfer war eines der ersten Sujets eines Kulturfilms überhaupt. Die Zuschauer wurden durch, für die damalige Zeit, verblüffende Makroaufnahmen in den Bann gezogen. Noch in den 20er trafen sich deutsche Kulturfilmer in La Sarraz in der Schweiz mit ausländischen Regisseuren wie Sergej Eisenstein, um die Avantgarde gegen das Kapital voran zu treiben. Etwas mehr als ein Jahrzehnt später, standen die gleichen Regisseure und Kameraleute zumeist treu im Dienste der Nationalsozialisten. Und auch der Hirschkäfer diente jetzt dazu abstruse faschistische und postdarwinistische Thesen zu belegen. Wie konnte es dazu kommen?
Vom Hirschkäfer zum Hakenkreuz ist in der ursprünglichen Tradition des deutschen Kulturfilms montiert. Die Regisseure Lammert und Dewald versuchen mit filmischen Mitteln die Möglichkeiten der Manipulation aufzuzeigen und assoziativ Verknüpfungen zu schaffen. Was man dem Film gewünscht hätte, wäre etwas mehr Stringenz. Ausflüge in die Dark Gothic Szene oder in die 3D-Modellierung von Käfern mögen für manchen Zuschauer auch von Interesse sein, andere werden dadurch nur von der eigentlichen und höchst spannenden Story abgelenkt. – Quelle: Youtube
Fazit: Der Hirschkäfer war leider ein willkommenes Symbol für die Ideologie der damaligen Zeit und wurde instrumentalisiert.
Den heutigen Mythos um den Hirschkäfer als eine ausschließlich Wald und Eiche liebende Käferart muss man unter dieser geschichtlichen Beeinflussung sehen, da sie von der damaligen Ideologie bewusst deutlich überzogen, wenn nicht gar geprägt wurde. Die Nationalsozialisten brachten im Übrigen den Reichsadler mit einem Hakenkreuz und einen umrandenden Eichenkranz in Verbindung. Der Hirschkäfer war dabei nur ein weiteres „Opfer“, geblieben ist eine starre Lehre zur Lebensweise dieses Käfers, die dem Schutz der Art nicht gerade förderlich war und leider noch ist.
Markus Rink, Alf